Wege der Malerei
Zum Werk von Birgit Brandis
von Gustav Kluge
Die Malerei von Birgit Brandis lässt sich am Besten verstehen, wenn wir Malen – auch – als prozessualen Gießvorgang auffassen und die Farbe als Energie, die über ihre wechselhafte Verkörperung in einem individuellen Pigment hinausweist. Dass Farbe nicht mit der Hand und einem Malinstrument aufgetragen wird, sondern direkt auf einen Bildträger aufgegossen werden kann, ist eine relativ neue Errungenschaft der Malerei.
Die Eigenart dieses Malens hilft der Malerin, dass von ihren Bildern eine Glut ausgeht, die in den Raum strahlt. Eine Kritikerin fühlte sich bei diesen Bildern an eine „magma artige Ursuppe“ erinnert. So scheint es mir nur folgerichtig, wenn Brandis in Räumen ihrer Ausstellungen die Farbe aus Eimern auf den Boden gießt und sie dort ineinanderfließend erstarren lässt. Sie bilden in den weißen Ausstellungskuben beunruhigende Inseln des Formlosen., deren verschlungene Strukturen mit den Bildern an der Wand eine Beziehung aufnehmen.
In den Bodenverschüttungen wird der Raum selber zum Bildträger und die erregende Kraft der Farbe wird ohne vermittelndes Malinstrument und ohne „Zwischenträger“ direkt erfahrbar. Bei dieser kraftvollen Auffassung der Farbe ist es bedeutsam, dass Brandis diese Farbenergie einer strengen Formung unterwirft : Bildteilungen, geometrische Formen und Rasterschemata opponieren den leuchtenden Farben und bieten ihr Widerstand, der aber die Strahlkraft der Farbe umso stärker aufleuchten lässt.
Soweit ließe sich die Malerei der Birgit Brandis als ungegenständliche, auch als selbstreferentielle Kunst bezeichnen. Doch ich beobachte eine andere Ebene ihrer Arbeit, in der sich mir als Betrachter Erinnerungsbilder einstellen an alltägliche Wahrnehmungen. Ich fühle mich erinnert an Gebilde städtischer Landschaft, an Ausschnitte von Gebäuden, Nahblicke auf geformte Natur und Ausschnitte aus den im Fluss befindlichen Wahrnehmungen, wie sie das Auge der Malerin abgekoppelt von schneller Zuordnung und eindeutiger Festlegung wahrnimmt und in ihr Bildprogramm überführt. Vielleicht ist es diese nie ganz zuende entschiedene Balance von Bedeuten und Nicht-Bedeuten in den einzelne Arbeiten, die zur Spannkraft ihrer Bilder beiträgt.
In ihre Ausstellungen der letzten Jahre hat sie zunehmend Bilder in Hochdrucktechnik eingebaut. Mit geschnittenen Schablonen aus Styropor und Spanholz druckt sie geometrische Formen von auffallender Sperrigkeit über Farbgründe auf Papier. Die Farben sind hierbei verhaltener und setzen sich gegen die geschnittenen Strukturen anders durch als in der Farbglut des Malflusses: durch den genauen Wechsel von pastosen und trockeneren Partien atmet der oft dunkel gefasste Papiergrund. Der Bildträger bekommt in den Drucken eine Wichtigkeit und dies setzt die Drucke in Spannung zu den Malereien, in denen der Bildträger von der Farbe „geflutet“ wird .
Dieses Kontrastprogramm von Malen und Drucken verleiht dem Werk von Birgit Brandis Weite und die Kraft zur anhaltenden Entwicklung.